Verein für Heimatkunde Gunzenhausen e.V. | Gegründet 1879

Nachrichten

Das mittelalterliche Weißenburg kennengelernt

„Kennst Du Deinen Landkreis?“ 43 Jahre nach der Kreisreform sind zwar alle Wunden verheilt, aber das heißt nicht, dass sich die Menschen sich im jeweils anderen Landkreisteil einigermaßen auskennen. Sie reisen in die weite Welt, aber das Gute, das so nah liegt, wird vernachlässigt.
Der Verein für Heimatkunde Gunzenhausen hat kürzlich seinen Mitgliedern die Gelegenheit geboten, das mittelalterliche Weißenburg näher kennenzulernen. Wie Vorsitzender Werner Falk bei der Vorstellung der Stadtführerin Ingrid Archinger sagte, biete Weißenburg viele Facetten. Gleichwohl konzentrierten sich die meisten Besucher auf die römische Geschichte der Kreisstadt. Schwerpunkt der „Samstagsexkursion“ des Vereins für Heimatkunde war jedoch das mittelalterliche, das reichsstädtische Weißenburg. Auf sie können die „Handschimacher“, wie die Nachbarn volkstümlich genannt werden, mit Stolz blicken. Die Leonische Industrie, die dort einen Schwerpunkt hat, liefert beispielsweise das Band, an dem jedes Bundesverdienstkreuz hängt. Hugenottischen „Asylanten“ verdankt die Stadt dieses Gewerbe. Hier begegneten sich einst die Bernsteinstraße (von der Ostsee bis Venedig) und die Nibelungenstraße (von Speyer bis Wien). Wo heute das Rathaus steht, da war im Mittelalter der Kreuzungspunkt.
Aus dem Königshof Karls des Großen ist 1241 die freie Reichsstadt geworden. Von diesem Image kann Weißenburg heute noch zehren. Bis 1801 währte diese privilegierte Stellung, die Stadt war dem Kaiser direkt unterstellt. Man sagt, manch alte Ratsfamilien Weißenburg können das Ende der Reichsfreiheit heute noch nicht überwinden.
Wenn sich heute die Menschen aufregen über die „Völkerwanderung“ vom armen Süden in den reichen Norden, dann können sie am Beispiel von Weißenburg erkennen, dass einen gigantischen Flüchtlingsstrom auch schon hierzulande gegeben hat, als nach 1945 rund 7000 Vertriebene in die Stadt kamen, die vom Krieg so gut wie verschont geblieben war. „Nur“ zwei Bomben waren gefallen und „nur“ 23 Tote hatte es gegeben. Mehr als 10000 Menschen erlebten die Wülzburg als ersten Anlaufpunkt im Westen, 1952 hat die letzte Flüchtlingsfamilie die Festung verlassen.
Stationen des Rundgang durch die Stadt waren die 1425 geweihte Andreaskirche mit ihrem Kunstwerk „Marie im Strahlenkranz“, das aus vorreformatorischer Zeit noch geblieben ist. Eine Besonderheit weist die Stadtmauer auf. Hier ist sie über weite Strecken integrierter Bestandteil der mittelalterlichen Bebauung. Quartiere wie an der Kapelle, der „Schrecker“ oder der „Klostergarten“ sind im Zuge der Stadtsanierung zu schönen Ruhezonen gestaltet worden. König Ludwig I. haben die Weißenburger ein Denkmal gesetzt. Sie hatten allen Grund dazu, denn er hat ihnen 1338 den 2550 Hektar großen Stadtwald vermacht. Unter den bayerischen Städten ist Weißenburg die drittgrößte kommunale Waldbesitzerin.

Zurück