Verein für Heimatkunde Gunzenhausen e.V. | Gegründet 1879

Nachrichten

Die alten Gunzenhäuser Gaststätten - Lothar Hiemeyer erforscht und publiziert Teil II

Seit Jahren vergräbt sich Lothar Hiemeyer in die Annalen der Gunzenhäuser Gaststätten. Das Ergebnis präsentierte er dem Verein für Heimatkunde Gunzenhausen. Dem ersten Vortrag 2015 folgte nunmehr der zweite mit der Vorstellung weiterer Gaststätten, die bis 1945 existierten. Das erstaunliche Fazit des Heimatforschers: Von den 70 Wirtshäusern „aller Zeiten“ (bis 1945) bestehen heute noch 16.

Bild: Die „Goldene Krone“ hat ihren baulichen Charakter beibehalten.
Die „Goldene Krone“ hat ihren baulichen Charakter beibehalten.

27 von ihnen präsentierte der gebürtige Gunzenhäuser, der jahrzehntelang in führender Position für die Firma Huber & Riedel tätig war und heute in Würzburg lebt, den Mitgliedern und Gästen des Vereins im Gasthof „Adlerbräu“. Dabei waren Fotos von Gasthäuser zu sehen, die nur mehr die alten Gunzenhäuser kennen und die seit Jahrzehnten nicht mehr existieren, von denen höchstens noch – in veränderter Gestalt – die Gebäude bestehen.  Beispielsweise die „Goldene Traube“ in der Rathausstraße (heute Mietshaus/Änderungsschneiderei Hartmann), von der noch die alte Scheune im rückwärtigen Bereich im Original erhalten geblieben ist. Der „Rote Ochse“ am Martin-Luther-Platz geht auf das 1662 zurück. Früher war dort auch der HSG-Schießstand eingerichtet, um 1910 befand sich darin  ergänzend zum Wirtshaus auch das „Lichtspielhaus Wittelsbach“. Der letzte Wirt  war der unvergessene Fritz Buchholzer, der im Kampf gegen die Getränkesteuer an vorderster Front stand („Rebell am Zapfhahn“).Heute ist dort der Metzgereibetrieb Hanel.

Das Gasthaus „Zum Falken“, gleich nebenan,  ist 1732 entstanden und  über viele Jahrzehnte (bis 1950) von Johann Meyerhuber betrieben worden. Später zählten Alfred Eiden  und die Familie Hanel zu den Wirten (heute wohnlich genutzt). „Müller am Tor“ nannte sich der Wirt Hofer vom „Schwarzen Bären“, der sich damit vom Brauwirt gleichen Namens unterschied.  Später zapfte dort der unvergessene Jus Schwab (heute: „Bärlin“). Die Bühringerstraße nannte sich früher Brechgraben und war ein recht sumpfiges Gelände. 1801 hat Hermann Fischer aus Schweina einen Teil aufgefüllt und dort seine Wirtschaft errichtet („Storchenfischer“). Er hat auch die beiden stattlichen Wohnhäuser in der Straße erbaut.

Als „Kaffeeschenke“ hat Andreas Weber 1871 das Gasthaus „Zur Wolfsschlucht“ eingerichtet, 1897 kam die Familie Guthmann auf das Haus. Der Wirt und einige seiner Kollegen traten damals als vereinigte Bierzeltwirte auf.  Der Charcutier Karl Ruthardt war um 1909 Inhaber der Gaststätte „Zur frischen Quelle“ (später: Schwarzbeck) am Ecke Bühringerstraße/Gartenstraße.  Er war ein vermögender Mann und  führte nicht nur Blut- und Leberwürste, sondern feine Wurstwaren (daher die französische Berufsbezeichnung), aber bei der Inflation 1923 verlor er sein ganzes Vermögen. Über einen „russischen Kamin“  verfügte das Gasthaus „Zum Hirschen“ in der Bühringerstraße (neben Kindergarten).

Von der Nachbarschaft des Amtsgerichts versprach sich der Fabrikant Berthold Bing in den dreißiger Jahren einen geschäftlichen Impuls und richtete an der Ecke Garten-, Luitpoldstraße das Restaurant Hummel  (Luitpoldstraße 6) ein, das gleiche tat Christian West („Wein und Cafe-Restaurant West“) in der Nachbarschaft (Gartenstraße 7). Karl Kirsch, der Bruder von Willi Kirsch (Gastwirt „Zur Altmühl“ am Eingang zur Promenade) war in der Judengasse (heute: Hafnermarkt). Als „Scharfes Eck“ ist das Gasthaus „Zum Adler“ in der Hensoltstraße (Eckhaus) in den Gunzenhäuser Sprachgebrauch eingegangen. Frieda Oberhäußer betrieb es von 1945 bis 1978. Johann Kamm begründete 1872 mit dem Kauf des Gasthauses „Zur Krone“ (heute: Hotel in der Nürnbergerstraße) die bis heute während Wirtetradition. Die Stadtkapelle Scheuernstuhl gab dort einst „Garten-Conzerte“ und vor dem Haus stand, ganz im Zeichen des Automobils, eine Tankzapfsäule. Schon 1749 hatte der Markgraf das Haus der heutigen Gastwirtschaft „Zur Linde“ in der Nürnbergerstraße bauen lassen, das seit 1872 gastronomisch genutzt wird. Zu den Inhabern zählte der Jude Simon Strauß, der 1934 beim ersten Judenpogrom in Franken von dem SA-Mann Kurt Bär erschossen wurden. Seit den fünfziger Jahren wird das Haus von der Familie Hertlein/Arnold bewirtschaftet.Der „Löwengarten“ ist von dem Unternehmer Emil Beng gegenüber seine Fabrik in der Nürnbergerstraße (später: Hering, Norma) erbaut worden. Bis 1936 hat August Hiemeyer, der Großvaters des Heimatforschers, die Gaststätte geführt, in der Hellein-Bier aus Merkendorf ausgeschenkt wurde. Egon Guthmann hat die Wirtschaft später geführt.  Das „Weinberglein“ (heute: Mehrfamilienhaus an der Weinbergstraße 18) hat Matthias Hunger erbaut. Danach waren die Besucher häufig Opfer des Beerenweins von Heiner Hufnagel.  Seit 1920 ist der „Lindenhof“ (zunächst: „Birkenhof“) bekannt. Er war beliebter Sonntagsausflugsziel der Gunzenhäuser Bürgerschaft, in den vierziger Jahren NS-Erholungsheim (heute: Kurheim).

Wie Lothar Hiemeyer mitteilte, will er jetzt auch noch die Gunzenhäuser Sommerkeller erforschen und sie in sein Standardwerk einverleiben, das in den nächsten Jahren erscheinen soll. Gern nimmt er auch Erinnerungsbeiträge von den alten Gunzenhäusern entgegen.

Zurück